Wir haben als Teil der Digitalen Woche Kiel ’23 an der „Smart City – Digitale Zwillinge für Kommunen“ teilgenommen. Dort beschäftigte uns die Frage, was eigentlich ein digitaler Zwilling ist und wo die Entwicklung von digitalen Zwillingen derzeit steht und sich perspektivisch entwickelt.
Bisher gibt es noch keine allgemeingültige Definition eines digitalen Zwillings; generell handelt es sich bei einem digitalen Zwilling um eine digitale Datensammlung, zum Beispiel von einer Stadt, einer technischen Maschine oder anderer Strukturen. Die verschiedene Attribute bilden den Zustand ab und erleichtern die Planung von Prozessen in Abhängigkeit dieser Daten. In einer Stadt kann der digitale Zwilling zur Analyse von Sanierungspotenzial im Bereich Wärmedämmung genutzt werden, bei technischen Maschinen zur vorausschauende Instandhaltung.
In seiner Eröffnung stellte Jonas Dageförde mit einem Vergleich dar, in welcher Phase er den digitalen Zwilling zurzeit sieht – in einer Phase, in der er von einigen noch belächelt oder ignoriert wird, er aber eigentlich vor einer großen, vieles verändernden Entwicklung steht. Nach dieser Einschätzung starteten die Speaker mit ihren Impulsvorträgen.
Impulsvorträge
Als erstes sprach Joachim Schonowski über Standards und Normen für digitale Zwillinge. Er erklärte das Standards notwendig sind, um Kommunikation und auch Zusammenarbeit zwischen mehreren Städten oder Kommunen und ihren digitalen Zwillingen zu vereinfachen. Schonowski gab auch einen nationalen und internationalen Überblick über digitale Zwillinge und stellte den Vergleich zwischen einer Stadt wie Berlin mit vier Millionen Einwohnern und Megacities mit (prognostizierten) 40 Millionen Einwohnern. Auf nationaler Ebene regte er an, nicht nur von Smart Cities zu sprechen, sondern von einem „Smart Germany“. Auch stellte er in seinem Vortrag bestehende und sich in Arbeit findende Standards und Normen vor. Diese sollen beispielsweise Fachbegriffe klar definieren.
Als zweiter Speaker sprach Dr. Aurel von Richthofen über Wissensgraphen, Urbane Datenplattformen und semantische Web-Technologie. Wissensgraphen benötigen vernetzte, offene Daten. Oft sind diese Daten vorhanden, teilweise müssen sie für die Nutzung allerdings noch standardisiert werden. Diese verknüpften Daten werden dann von „Agenten“, beispielsweise Suchmaschinen, genutzt, um auf Fragen zu antworten. Als Beispiel nannte von Richthofen das Monitoring von Containerschiffen in Verknüpfung mit Wetterdaten, um Luftverschmutzung zu erkennen und vorherzusagen. Eine urbane Datenplattform kann die Datengrundlage für solche Monitoring-Projekte sein. Urbane Datenplattformen fügen viele isoliert gesammelte Datensätze zusammen und machen sie steuerbar. Semantische Web-Technologien fügen Hintergrundinformationen zu einzelnen Wörtern hinzu, so dass Computer Begriffe genauer nutzen und teilen können.
Als dritter Speaker stellte Sam Warmke von der Landeshauptstadt Kiel den „Wärmebedarfszwilling“ vor. Der Wärmebedarfszwilling ist ein digitales Modell, welches den Wärme- und Strombedarf der Gebäude in Kiel modelliert. Grund für den Aufbau des Wärmebedarfszwillings ist laut Warmke, dass das Heizen einen großen Teil der CO2 Emissionen in Kiel ausmacht und Kiel 2019 den Klimanotstand ausgerufen hat. Da es keinen Zugriff auf die Verbräuche der einzelnen Gebäude gibt, wurden Daten wie die Gebäudetypologie und der in der jeweiligen Gegend vorherrschende Heizungstyp gesammelt. Aufgrund dieser Daten wurden dann die Verbräuche modelliert. Der digitale Zwilling bildet also den gesamten Wärme- und Energiebedarf für Kiel ab. Und er bietet viele Möglichkeiten. So können Sanierungsszenarien getestet werden oder im späteren Verlauf den Bürger*innen Daten zu geplanten Nah- oder Fernwärmenetzen angezeigt werden. Warmke und die Stadt Kiel planen das Tool auf open source Basis weiterzuentwickeln, die Datenmodelle mit den echten Verbräuchen zu validieren und zu verbessern und einen Wärme- und Kälteplan zu erstellen.
Diskussionsrunde
Im Anschluss an die Impulsvorträge gab es eine Diskussionsrunde, in der viele offene Fragen beantwortet wurden. Es wurde über die Datensicherheit und die Akzeptanz in der Bevölkerung gesprochen und gesagt, dass diese nur mit Transparenz und Bürgerbeteiligung gewonnen werden kann. Auch wurde die generelle Komplexität dieses Themas noch einmal betont. Es wurde auch darüber diskutiert, welche Zielgruppen und welche Stakeholder es gibt.
Auf die Frage, welche Mehrwerte es für Kommunen gibt, wurden die Möglichkeit, Szenarien theoretisch durchspielen zu können, genannt. Auch die Datenerhebung wurde – anhand eines Beispiels über Fahrradverkehr in Freiburg – als Vorteil erkannt. Dort wurden mit Hilfe von Bürger*innen Daten zum Fahrradaufkommen auf bestimmten Straßen gesammelt. Dadurch wurde überhaupt erst eine Datengrundlage für weitere Planungen geschaffen. Als Mehrwert für Kommunen wurde auch genannt, dass kleinere Kommunen nicht zwingend eine riesige Datenplattform aufbauen müssen, sondern auch in bestehenden Systemen digitale Zwillinge erstellen können.
Auch für die Bürger*innen hat ein digitaler Zwilling einen Mehrwert. Durch visuelle Modelle gibt es in der Stadtplanung und Stadtentwicklung neue und bessere Methoden zur Bürger*innenbeteiligung. Ein weiterer Aspekt, der genannt wurde, ist, dass Daten von Verwaltungen genutzt werden und Prozesse deutlich beschleunigt werden können. Auch können aufbereitete Daten den Bürger*innen zur Verfügung gestellt werden.
In der Diskussionsrunde wurde auch über eine Bezahlmöglichkeit für Unternehmen für bestimmte Datensätze gesprochen. Angemerkt wurde ebenfalls, dass es eine Umstrukturierung in den Verwaltungen geben wird und dass dabei digitale Zwillinge den Menschen viel Arbeit abnehmen können, so dass diese sich neuen Aufgaben widmen können.
Sam Warmke von der Landeshauptstadt Kiel sagte, dass mit den umliegenden Gemeinden Verknüpfungen und Zusammenarbeit geplant sind und verwies auch auf die KielRegion, die genau das schon tut.
Ein Fazit aus der Runde war, dass sich der Fokus bei digitalen Zwillingen weg von Technologie hin zu Anwendung und Darstellung bewegt.
Wir glauben, dass digitale Zwillinge viele Vorteile bringen. Mit digitalen Zwillingen lassen sich Tests durchführen und Vorhersagen treffen und Planung anhand historischer Daten umsetzen, die ohne sie unmöglich oder mit sehr hohem Aufwand verbunden wären. Außerdem sind sie ein Schlüssel in der Bürgerbeteiligung, da sehr einfach Modelle und verschiedene Zukunftsszenarien erstellt werden können. Zudem können an die digitalen Zwillinge andere Plattformen andocken und sich verknüpfen.